Text: Christian Keller, Bilder: Ursula Bonnato


Das Lesen aus der Hand: Hokuspokus oder Wissenschaft?


Ihr Schicksal liegt auf der Hand

Wer einer Zigeunerin seine Hand hinhält und glaubt, sie könne ihm nun die Zukunft prophezeien - der glaubt an Hokuspokus. Zumindest Chirologen - zu deutsch: Handleser - wehren sich vehement dagegen, mit dieser "Scharlatanerie" in einen Topf geworfen zu werden. Denn für sie ist das Lesen und Deuten der Linien, Furchen und Formen unserer Hände ein tiefer Blick in den Charakter eines Menschen - und eine Wissenschaft "Mit Wahrsagerei und Hokuspokus hat das wissenschaftliche Handlesen nichts zu tun", stellt der Schweizer Chirologe Yves Kraushaar fest.
Auch sein Kollege Walter Trumpf vom Schweizer Institut für wissenschaftliche Chirologie weist das Wort "Scharlatanerie" weit von sich, "zu kostbar" sei ihm dafür die Chirologie. Und nicht ohne Stolz erwähnen die beiden Chirologen, dass in China bereits vor 4000 Jahren der Abdruck des Daumens und seiner Fingerrillen nicht nur als unverwechselbare Unterschrift galt, was bekanntlich auch die Kriminalistik zu nutzen weiß, sondern dass daraus auch Rückschlüsse auf den Charakter wie auf den Organismus eines Menschen möglich waren. Und Walter Trumpf zitiert sogar das alte Testament, denn dort heißt es im Buch Hiob: "Gott schuf Zeichen und Siegel in den Händen aller Söhne der Menschen, auf dass die Söhne der Menschen ihre Werte kennen."
Und heute? "In den USA interessieren sich Chirologen stark für die Medizin", berichtet Walter Trumpf, "dort behaupten Spezialisten, sie könnten mit Hilfe der Hand jeden Krebsherd erkennen, aber mir geht das schon etwas zu weit." Obwohl, so die Chirologen, in den USA bereits zahlreiche Arzte bei der Diagnose vereinzelter Krankheiten sich auch auf eine Handanalyse stützen.

Den Charakter in der Hand

"In Europa fristet die Chirologie ein Mauerblümchendasein", klagt Walter Trumpf. "Auch wenn die Handformen und die Handlinien in direktem Kon takt zur Geist-Seelen-Einheit des Menschen stehen. Und so bildet die Chirologie im Bereich der Charakteranalyse, der Erbforschung und der medizinischen Frühdiagnose heute ei ne ernstzunehmende Wissenschaft. Diesbezüglich ist sie natürlich auch eine unerlässliche Hilfe für die Erkennung und Nutzung von Talenten und Fähigkeiten, die in den meisten Menschen schlummern und oft nicht erkannt werden."

Handlinien verändern sich

"Ich beschäftige mich seit fast 20 Jahren mit Chirologie und bin heute hundertprozentig von ihr überzeugt", sagt Walter Trumpf. Wer ihm einmal den kleinen Finger reicht, wird ihm bald beide Hände geben müssen, getreu dem Motto: "Zeige mir deine Hände, und ich sage dir, wer du bist".

Handlinien - sie finden sich bereits beim Embryo - sind nicht eingemeisselt, sondern verändern sich mit der Lebensgeschichte. Das Spannungsfeld zwischen Ererbtem und Gelerntem, zwischen Begabung und Erfahrung wider spiegelt sich im Unterschied zwischen linker und rechter Hand. Denn die Linke (bei Linkshändern die Rechte) zeigt die Begabungen und Erbanlagen, die Rechte die Lebensgeschichte. So ist das, was Walter Trumpf aus den Linien der Hände, aus der Lebens- und Schicksalslinie, aus den Liebeslinien und wie die Linien alle noch heissen, liest, so wie er die Form der Hand, ihre Berge und Täler, wie er die Länge der Finger und die Linien der Fingerrillen analysiert, "eine reine Charakterbeurteilung, ein Aufnehmen des Ist-Zustandes".

Analyse aus dem Computer

Für eine Handauswertung beurteilt Walter Trumpf über 170 Merkmale einer Hand, codiert sie und gibt sie dem Computer ein.
Sofort nach dem letzten Tastendruck beginnt der Drucker des Computers zu rattern: In Kürze liegt eine ausführliche Auswertung auf dem Tisch. Wobei, so erklärt Walter Trumpf, der Computer eigentlich nichts anderes mache als ein traditioneller Chirologe auch, nur eben mit viel weniger Zeitaufwand. Die 170 registrierten Merkmale er geben - je nach ihrer Ausprägung und Kombination - ein individuelles Charakterbild, für dessen Beschreibung der Computer Zugriff auf rund 2000 verschiedene Textpassagen hat, immerhin mehr Kombinationsmöglichkeiten als Menschen auf dieser Welt leben, aufgelistet nach den Themenbereichen Denk- art, Kreativität, Liebesverhalten, Kontaktbereitschaft, Hemmeinflüsse, Impulsivität, Eigensinnigkeit, Toleranz und Erfolg. Doch was sind das für Menschen, die sich von Walter Trumpf und seinem Computer die Hand lesen lassen? "Aus allen Altersschichten, aber bedeutend mehr Frauen als Männer", erzählt er, "auch Anfragen von bekannten und prominenten Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft sind keine Seltenheit." Über 20.000 Hände analysiert
Die häufigsten Gründe für eine Analyse beziehen sich auf die Partnerwahl: "Hier ist zum Beispiel sehr wichtig zu wissen, ob der Zeigefinger länger ist als der Ringfinger. Trifft das zu, so heißt das: Die oder der betreffende will dominant sein. Und wenn beide dominant sein wollen, kann daran eine Beziehung scheitern."
Doch nicht nur einzelne Hände interessieren Chirologen. So haben Walter Trumpf und Yves Kraushaar zusammen mit Universitäts-Mathematiken die Hände von über 20.000 Frauen und Männern erfasst und vor allem bei Direkterfassungen analysiert. Eine bisher einzigartige Statistik mit verblüffenden Resultaten.
So etwa, was die Beziehungen zwischen Mann und Frau betreffen: Bei rund 98% aller analysierten Hände verrieten die Linien Partnerschafts- und Eheprobleme. "Ein Vergleich der Handlinien von Paaren zeigt, dass die meisten ihre Partner nach dem Motto "Gegensätze ziehen sich an" gewählt haben", interpretiert Yves Kraushaar, "aber schon nach durchschnittlich zwei Ehejahren zeigt sich, dass viel zu wenig Gemeinsamkeiten vorhanden sind." Interessant ist auch der Vergleich zwischen Frauen- und Männerhänden: So verläuft nach Statistik bei den Frauen die Kopf- und die Lebenslinie sehr viel häufiger getrennt als bei den Männern. "Das bedeutet", erklärt Yves Kraushaar, "dass Trieb und Intellekt bei der Frau parallel verlaufen, sich also nicht gegenseitig beeinflussen wie beim Mann." In der heutigen Gesellschaft könne damit die Frau ihre Anlagen "mit dieser spontanen Konstellation viel besser ausleben als der Mann, der mit seinen Anlagen heute eindeutig der verunsicherte Teil ist", folgert der Schweizer Chirologe. Walter Trumpf machte von einer ihm unbekannten Hand eine Analyse. Erst später erfuhr er, dass es sich um diejenige von Lady Diana handelte. Die Analyse entsprach 100-prozentig ihrem Charakter!

Der Schweizer Chirologe Walter Trumpf am Computer: Den 170 spezifischen Merkmalen einer Hand werden 2000 Beurteilungen zugeordnet.
Der Schweizer Chirologe Walter Trumpf hat zusammen mit Universitäts-Mathematikern über 20.000 Hände von Frauen und Männern untersucht und analysiert...

"Zeige mir Deine Hände, und ich sage Dir, wer Du bist": Hier sind die wichtigsten Linien eingezeichnet, die über den Charakter eines Menschen Aufschluss geben können.
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